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Kim Jong-uns Sister Act

Artikel erschienen bei FAZ.NET (08.02.2018)

Von Martin Benninghoff

Nordkoreas Diktator fährt persönlich nicht zur Eröffnung der Winterspiele nach Südkorea. Stattdessen schickt er seinen ältesten Mitarbeiter und seine Chefpropagandistin – seine Schwester. Wer sind die illustren Personen aus dem inneren Zirkel des Machtapparates?

 

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un macht sich rar. Keine einzige Auslandsreise ist von ihm überliefert, zu groß wohl die Sorge vor einem Anschlag und nicht zu kontrollierenden Szenen, die dann als Fernsehbilder um die Welt gehen. Der Diktator schickt deshalb seine engsten Mitarbeiter nach Pyeongchang, wenn am Freitag die Winterspiele in Südkorea eröffnet werden: Kim Yo-jong und Kim Yong-nam.

Die interessantere Persönlichkeit von beiden ist Kim Yo-jong. Sie ist die jüngere Schwester Kim Jong-uns, wie er wohl zeitweise auf eine Schweizer Schule gegangen und eine enge Vertraute des scheuen Diktators. Die 28-Jährige ist Vizedirektorin der nordkoreanischen Parteiabteilung für Agitation und Propaganda – in der Funktion so etwas wie die Propagandachefin des Regimes und speziell ihres Bruders. Seit 2016 ist sie zudem Mitglied des Partei-Zentralkomitees, gehört also offiziell zum inneren Zirkel um Kim Jong-un.

In Windeseile zum Herrscher etabliert

Das ist insofern bemerkenswert, als Frauen in der patriarchalen Hierarchie des Regimes bisher kaum eine Rolle spielten. Kim Jong-uns Ehefrau, Ri Sol-ju, bekleidet eher die Rolle einer typischen „First Lady“ und hegt bislang kaum politische Ambitionen. Über Kim Yo-jong soll wiederum bereits ihr Vater, der 2011 verstorbene Kim Jong-il, anerkennend gesagt haben, sie sei politisch interessiert und talentiert. Nach Kim Jong-ils – trotz schwerer Krankheit – unerwartetem Tod im Dezember 2011 soll seine Tochter maßgeblich daran mitgewirkt haben, den jungenhaft wirkenden „Kronprinzen“ Kim Jong-un in Windeseile als zukünftigen Herrscher zu etablieren. Mit Erfolg.

Zur Beerdigung ihres Vaters war die 28-Jährige im Staatsfernsehen zu sehen, seitdem taucht sie regelmäßig auf den offiziellen Fotos auf, die den Machthaber bei seinen legendären Vor-Ort-Anleitungen zeigen, also bei Inspektionen von Fabriken, Kindergärten oder Schulen. Sie ist für die PR-Termine ihres Bruders zuständig und baut an dessen Personenkult mit. Dieser – selbst im internationalen Vergleich unter sozialistischen oder postsozialistischen Regimen – in jeder Beziehung extreme Kult war lange vornehmlich auf Staatsgründer Kim Il-sung und in schwächerem Maße auf seinen Sohn Kim Jong-il zugeschnitten. Noch 2013 gab es so gut wie kein Porträt oder Propagandaplakat mit dem Konterfei des jungen Herrschers im Land. Das hat sich seitdem geändert.

Kim Yo-jong ist eine der wenigen Personen im nordkoreanischen Machtgefüge mit direktem Zugang zum Diktator; zweifellos sind die beiden seit frühesten Kindertagen miteinander vertraut. Sie ist die Tochter von Kim Jong-ils dritter Frau oder Freundin und hat damit die gleiche Mutter wie Kim Jong-un. Wie er soll Kim Yo-jong einen Teil ihrer Kindheit zuerst in einer der abgeschotteten Privatresidenzen der Herrscherfamilie in Pjöngjang verbracht haben, danach ging sie mehrere Jahre auf eine Schweizer Privatschule. Über ihren weiteren Werdegang ist wenig bekannt, vermutet wird aber, dass sie auf der staatlichen Kim-Il-sung-Universität von Pjöngjang studiert und wohl auch zeitweise an einer Militärschule Kurse belegt hat.

Weniger überraschend ist die Reise Kim Yong-nams nach Südkorea. Er ist so etwas wie das milde Gesicht des Regimes, vielleicht vergleichbar mit Saddam Husseins langjährigem Außenminister Tariq Aziz. Kim Yong-nam, mit mittlerweile 90 Jahren hochbetagt, ist seit den Zeiten des 1994 verstorbenen Kim Il-sungs im engeren Machtzirkel, als Mitglied des Politbüros der Arbeiterpartei. Als er geboren wurde, war Korea noch eine Provinz des japanischen Kaiserreiches, später studierte er in der Sowjetunion. In den 1950er Jahren wurde er Außenpolitiker – von 1983 bis 1998 war er Außenminister Nordkoreas. Formell war Kim Yong-nam unter Kim Jong-il die Nummer zwei im Staat, und unter Kim Jong-un ist er protokollarisch eine Art Staatsoberhaupt des Landes, wobei das in diesem Machtgefüge real kaum eine Rolle spielt: Die Macht ist auf den Herrscher, das Militär und die Partei zentriert, dem Staatsoberhaupt kommt nicht ansatzweise die Bedeutung zu, die es beispielsweise in einer präsidialen Demokratie hat.

Kim Yong-nams große Leistung ist, sich über mehrere Herrscher und Jahrzehnte hinweg an einer einflussreichen Position behauptet zu haben. Kim Jong-uns Onkel, Jang Song-thaek, wie Kim Yong-nam seit langem im Machtzirkel um die Kim-Dynastie, wurde von Kim Jong-un aus dem Amt gejagt und im Dezember 2013 sogar wegen einer angeblichen Verschwörung hingerichtet. Auch andere Altgediente ließ der junge Diktator aus dem Machtzentrum entfernen.

Kim Jong-un hat in den vergangenen Jahren im Inneren seine Stellung festigen können, einen offiziellen Auslandsbesuch wagt er aber nicht. Anders als sein Großvater Kim Il-sung, der sogar in die DDR reiste, und auch anders als Kim Jong-il, der immerhin noch kurz vor seinem Tod mit dem Zug ins russische Sibirien fuhr. Will Kim Jong-un zudem verhindern, in Pyeongchang auf Mike Pence zu treffen, den amerikanischen Vizepräsidenten? „Wir erklären eindeutig, dass wir nicht bereit sind, während unseres Besuches in Südkorea mit der amerikanischen Seite zusammenzutreffen“, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur KCNA in dieser Woche einen hohen Beamten des nordkoreanischen Außenministeriums in Pjöngjang. „Wir haben niemals um einen Dialog gebettelt.“

Statt des Dialogs setzt Kim Jong-un im Vorfeld der Winterspiele auf die Demonstration militärischer Stärke, wie gehabt mit einer Militärparade, dieses Mal zum 70. Gründungstag der nordkoreanischen Streitkräfte. Die Fachleute des amerikanischen Korea-Thinktanks „38 North“ haben auf Satellitenbildern rund 13.000 Soldaten und 150 Militärfahrzeuge gezählt. Allerdings sei die Zahl der Artilleriegeschütze und Panzer bei der Parade im Zentrum der Hauptstadt Pjöngjang kleiner gewesen als bei früheren Paraden. Ob das schon eine versöhnliche Geste in Richtung Südkoreas und vor allem Amerikas ist?

Das hätte Mike Pence Kim Jong-un wohl gerne persönlich gefragt, bei der Eröffnung der Winterspiele am Freitag in Pyeongchang. Immerhin: Südkoreas Präsident Moon will Kim Yo-yong und Kim Yong-nam am Samstag treffen.

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