Erschienen im „Kölner Stadt-Anzeiger“ (07.02.2010)
Korrespondent Gerd Höhler über die Krise Griechenlands
Von Martin Benninghoff
Machen die Griechen den Euro kaputt? Die provokante Frage, die zugleich der Diskussionsveranstaltung im „studio du mont“ am Freitagabend den Titel gab, beantwortete der Gast des Abends gleich zu Beginn mit einem klaren Nein. „Eher wird der Euro Griechenland kaputt machen“, sagte Gerd Höhler, Korrespondent des „Kölner Stadt-Anzeiger“, der seit 1979 von Athen aus über Griechenland, Zypern und die Türkei berichtet. Seit die Griechen mit dem Euro bezahlten, könnten sie sich ihrer Schulden nicht mehr so einfach durch Abwertung ihrer Währung entledigen. Dadurch kämen die wirtschaftlichen Probleme Griechenlands jetzt zum Vorschein.
Wer dann allerdings eine Diskussion voller Schuldzuweisungen erwartete, wurde eines Besseren belehrt. Höhler zeichnete im Gespräch mit Hans-Jürgen Deglow, dem stellvertretenden Ressortleiter der Politikredaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“, das Bild eines Landes, das in der tiefsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg steckt. Die Wirtschaft schrumpfte alleine im vergangenen Jahr um vier Prozent, die Umsätze im Handel brachen ein, und in kurzer Zeit gingen über 200.000 Jobs verloren – und das in einem Land mit knapp über elf Millionen Einwohnern. Mehrere Zuschauer, die teilweise familiäre Bindungen mit Griechenland haben, wiesen auf die Gefahr massiver sozialer Unruhen hin, die durch die Jugendarbeitslosigkeit von 35 Prozent blüht. „Wir erleben derzeit eine neue Welle der Auswanderung“, sagte Höhler, „und ein enormes Protestpotential“.
Höhler ließ keinen Zweifel daran, dass die Ursachen der Misere zunächst in Griechenland selbst zu suchen sind: Alleine durch die Schwarzarbeit seien dem Staat in 2010 rund 30 Milliarden Euro entgangen. Bitteres Resümee des Korrespondenten: „Wenn alle Griechen ihre Steuern gezahlt hätten, wäre das Land praktisch schuldenfrei.“ Auch die horrenden Gehälter der Staatsbediensteten seien schlichtweg „Wahnsinn“ gewesen. Als Beispiel nannte Höhler die griechischen Lokführer, die 5500 Euro im Monat verdienten und Entfernungspauschalen ab zehn Kilometern Strecke bekommen hätten. „Keine Frage“, so Höhler weiter, „das ist eine Krise der politischen Kultur Griechenlands, das Ergebnis einer weitreichenden Selbstbedienungsmentalität“.
Allerdings sei es überhaupt nicht angebracht, „von oben herab“ die Gründe der Krise nur in Griechenland selbst zu suchen. Höhler machte auf die lasche Schuldenpolitik der großen EU-Staaten aufmerksam und erwähnte das schlechte Vorbild Deutschlands bei der Neuverschuldung in 2003, als die drei-Prozent-Marke deutlich überschritten wurde. Zudem habe man in Brüssel, Berlin und Paris schon früher gewusst, wie klamm die griechischen Staatskassen seien. Der Beitritt Griechenlands zum Euro-Raum sei jedoch „politisch gewollt“ gewesen. Vor diesem Hintergrund seien die herablassenden Äußerungen aus Deutschland über die „Pleitegriechen“ schlichtweg indiskutabel. „Es gibt eine große Enttäuschung der Griechen“, sagte Höhler, und das Verhältnis zerrüttet.
Der Korrespondent verwies auf die Reformbemühungen in Athen: Die Neuverschuldung sei massiv gesenkt worden und die Gehälter im öffentlichen Dienst um ein Viertel beschnitten. „Die alten Zöpfe werden jetzt abgeschnitten“, sagte Höhler, der verhalten optimistisch in die Zukunft Griechenlands schaut. Allerdings müsse zum Sparen nun stabiles Wirtschaftswachstum kommen. Sprich Investitionen sollten jetzt getätigt werden, damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Eine Schlüsselrolle spiele dabei der Tourismus, der immerhin 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmache: „Wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf, fahren Sie in diesem Jahr nach Griechenland in den Urlaub. Damit können Sie etwas zur Genesung des Landes beitragen“, sagte Höhler.