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„Wir waren im Ton sehr rau“

Interview mit CSU-Politiker Friedrich, erschienen bei FAZ.NET (am 14.10.2018)

Von Martin Benninghoff

In der Sache zu weich, im Ton zu harsch? Der frühere Innenminister und CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich macht die Flüchtlingspolitik seiner Partei mitverantwortlich für die Wahlschlappe – aber nicht nur.

Herr Friedrich, die CSU verliert in Bayern die absolute Mehrheit. Wie wohl ist Ihnen mit dem Ergebnis?

Friedrich: Das Wahlergebnis ist natürlich eine herbe Niederlage. Ich habe insgeheim gehofft, dass wir die „4“ vorne noch schaffen, aber es hat sich in den vergangenen Wochen abgezeichnet. Es ist enttäuschend, aber nicht unbedingt überraschend.

Was hatte Sie denn optimistisch gestimmt, dass sie die „4“ schaffen?

Die Leute hatten die Verdienste der bayerischen Staatsregierung anerkannt, aber offenbar haben wir ein grundsätzliches Glaubwürdigkeitsproblem, was damit zusammenhängt, dass wir in der Migrationspolitik die falsche Tonlage angeschlagen haben. Ich glaube, dass es richtig ist, in der Sache hart und konsequent zu sein, aber im Ton moderat. Das haben wir nicht beherzigt, sondern haben es umgekehrt gemacht: Wir waren im Ton sehr rau, haben uns aber, wenn es drauf ankommt, doch der Frau Merkel untergeordnet. Deshalb haben wir an die Grünen verloren, wegen des zu rauen Tones, und andererseits an die AfD, da wir für die Bevölkerung zu wenig klare Eingrenzungen in der Migration vorgenommen haben.

Söder hat seinen Ton ja zuletzt umgestellt – und sich moderater gegeben. Zu spät?

Markus Söder hat das riesengroße Problem, dass er überhaupt zu spät erst Ministerpräsident wurde. Er hatte zu wenig Zeit, sich diesen Amtsbonus zuzulegen. Es war schade, denn er hat einen tollen Wahlkampf gemacht. Wäre er früher zum Zuge gekommen, hätte er noch Boden gut machen können.

Glauben Sie, dass er da gänzlich unbeschadet herauskommt?

Ja, Markus Söder hat nicht nur einen guten Wahlkampf und eine gute Finanzpolitik zuvor als Finanzminister gemacht, er ist jetzt unbestritten die Nummer eins bei den Koalitionsverhandlungen und auch im Amt des Ministerpräsidenten.

Von Horst Seehofers Zukunft als CSU-Chef sind Sie weniger überzeugt, höre ich raus?

Das ist nicht der Abend, an dem man in erster Linie über Personen redet. Jetzt geht es erst einmal um eine stabile Regierung für Bayern. Nur: Wenn man bei einer Bundestagswahl 38 Prozent und in einer Landtagswahl 37 Prozent als Parteivorsitzender der CSU zu verantworten hat, dann wirft das Diskussionen auf, die aber nicht jetzt zu führen sind.

Die CSU schwächelt, die SPD findet in Bayern kaum noch statt: Wie sehr schwächt das die große Koalition in Berlin?

Das relativ schlechte Abschneiden der CSU hat wenig Effekt auf die große Koalition. An unserer Kraft in Berlin hat sich nichts geändert. Das große Problem in Berlin wird die SPD sein, die heute einen Schlag ins Kontor bekommen hat. Es wird nach den kommenden Wahlen große Probleme bei der SPD geben, und dann ist es nicht ausgeschlossen, dass sie aus Angst vor dem Tod Selbstmord begeht und die Koalition platzen lässt.

Die SPD halbiert sich fast, aber der Schwund betrifft doch alle Volksparteien. Das muss Sie doch mit Sorge erfüllen, oder?

Ja, aber man muss schon sagen: Es ist weiterhin möglich, eine Volkspartei Mitte-Links und Mitte-Rechts zu haben, wenn man klare Positionen hat und eine klare Sprache spricht. Die Volkspartei Mitte-Links wird aber mit Sicherheit nicht mehr die SPD sein, sondern die Grünen. Die Unionsparteien können wieder Volkspartei werden, wenn sie der AfD im konservativ-liberalen Lager nicht mehr so viel Platz lassen.

Wäre es dann nicht an der Zeit, mit den Grünen in Bayern eine Koalition einzugehen?

Wenn die Grünen zur Volkspartei würden – also, wenn es denn stimmt, was ich sage –, dann wäre eine Koalition aus Grünen und CDU oder CSU eine Art große Koalition. Das soll man nur in Krisen- und Notzeiten machen. Es ist deshalb konsequent, gerade keine Koalition mit ihnen einzugehen. Es gibt von mir keinerlei Sehnsucht nach weiteren großen Koalitionen, denn die tun dem Land nicht gut. Die Leute brauchen klare Alternativen.

Sie haben gesagt, dass sich die CSU in der Flüchtlingspolitik zu häufig Frau Merkel untergeordnet habe. Wird die CSU also künftig stärker auftrumpfen in Berlin?

Nein, aber man darf mit dem harschen Ton die Erfolge, die man hat, nicht kleinmachen. Denken Sie nur daran, wie Horst Seehofer die Kanzlerin bei dem denkwürdigen Parteitag behandelt hat, um sie dann ein Jahr später zur besten Kanzlerin aller Zeiten zu küren. Das ist suboptimal, wenn ich mir diese Untertreibung erlauben darf.

Halten Sie eine Revolte in der CDU gegen die Kanzlerin etwa beim Parteitag in Hamburg für möglich oder sogar wahrscheinlich?

Ich glaube, dass alles möglich ist. Aber ich möchte keine Prognose abgeben, weil ich mich mit anderen Parteien nicht so gerne beschäftige, wenn man in seiner eigenen Partei gerade ein nicht sehr gutes Ergebnis erreicht hat.

Die AfD ist in Bayern zweistellig, wenn auch nicht so stark wie manche befürchteten. Hat die CSU versagt, die AfD überflüssig zu machen, indem man die Wähler rechts abholt?

Ich will ganz klar sagen: Wir werden den allergrößten Teil der AfD-Wähler nicht zurückgewinnen, solange Frau Merkel Bundeskanzlerin ist.

Das heißt, Sie können strategisch nichts gegen die AfD tun und müssen warten, bis die Kanzlerin von sich aus abtritt?

Wenn Sie lange an den Infoständen stehen, dann sagen Ihnen die Leute das genau so.

Macht Ihnen eine bürgerliche Koalition mit den Freien Wählern an irgendeinem Punkt Bauchschmerzen?

Es macht nie reine Freude, wenn man Wettbewerber, die aus dem gleichen Lager stammen und aus dem gleichen Holz geschnitzt sind, anerkennen muss. Aber es wäre die schonendste Art und Weise, mit diesem Ergebnis der Landtagswahl umzugehen. Das sind keine Harakiri-Leute, mit ihnen kann man zurecht kommen.

Ist es realistisch, in Zukunft wieder von absoluten Mehrheiten zu träumen? Ihr Parteifreund Stoiber hat davon gesprochen, dass die zugezogenen „Neubayern“ eben nicht mehr automatisch CSU wählten.

Ich teile die Ansicht von Herrn Stoiber da nur bedingt. Ich habe mich nun auch viele Jahre außerhalb von Bayern aufgehalten und weiß, dass die Menschen dort nicht weniger oder mehr konservativ sind als die Bayern. Absolute Mehrheiten sind möglich, wenn es gelingt, wieder Volksparteien herzustellen. Im Falle der Union, wenn wir das liberal-konservative Lager wieder sammeln können.

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