Kolumne bei „Opinion Club“ (erschienen am 22.01.2013)
Von Martin Benninghoff
Wolfgang Schäubles Symbolveranstaltung war mal eine gute Idee. Die Äußerungen des neuen Innenministers Thomas de Maizière bestätigen jedoch: Eine Neuauflage ist überflüssig
So ganz konnte man sich des Eindrucks ja nicht erwehren, dass Thomas De Maizière (CDU) seinen neuen alten Job – Bundesinnenminister – etwas lustlos aufnimmt. Er wäre eben lieber Verteidigungsminister geblieben, hätte lieber die Bundeswehrreform weitergedreht statt sich in der Innenpolitik mit Gruppen abzugeben, die im Innenminister spätestens seit de Maizières noch lustloserem Vorgänger Hans-Peter Friedrich (CSU) nur den „law-and-order“-Mann sehen. Die organisierten Muslime zum Beispiel, die seit Schäubles Tagen traditionell zur Islamkonferenz geladen werden.
Der neue Bundesinnenminister de Maiziére will die Deutsche Islamkonferenz in ihrer alten Form nicht mehr wiederbeleben. Es hatte viel Streit gegeben, die Muslimorganisationen hatten sich stets unter Generalverdacht gewähnt, weil Friedrich vor allem gerne über Sicherheitsaspekte sprechen wollte. Als Krimineller aber wollte sich keiner behandeln lassen. Auch de Maizière hatte als Innenminister Prügel bezogen, damals ging es um die Besetzung der Teilnehmerliste. Jetzt will er keine thematischen Vorgaben mehr machen. Wenn schon einladen, dann nur um „ihre Meinung zu hören“, flüsterte er der FAZ.
Nun gut, erst einmal ist es ja sinnvoll, nicht nur über Sicherheitspartnerschaften oder verwandte Themen zu sprechen, die den organisierten Islam grundsätzlich in die Nähe des Islamismus rücken. Andererseits: Worüber dann? Die Zeit der großen Sprüche – nach dem Motto „Der Islam ist ein Teil Deutschlands“ – ist definitiv vorbei. Wer die rasante Entwicklung hin zu einem gut funktionierenden Einwanderungsland noch nicht mitbekommen sollte, benötigt vielleicht noch solche Versicherungen. Die anderen dürften längst schon weiter sein.
Als Wolfgang Schäuble 2006 die Islamkonferenz begründete, war Deutschland in der Debatte noch am Anfang, Einwanderung muslimischer Menschen noch ein besonderes Reizthema. Das ist zwar nicht komplett vorbei, aber vieles hat sich doch relativiert, anderes wird überlagert – etwa durch die Gewissheit, dass die deutsche Wirtschaft auf ausländische Fachkräfte angewiesen ist. Schäubles Verankerungs-Veranstaltung hat ihren Sinn gehabt. Die Rede des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff („Der Islam gehört zu Deutschland“) hatte ihren Sinn. Heute aber sind andere Fragen wichtiger.
Zum Beispiel Detailfragen, wie die Inhalte des islamischen Religionsunterrichts gefunden und festgelegt werden sollen. Darüber gibt es nämlich handfesten Streit zwischen dem dafür zuständigen zentralen islamischen Theologen Mouhanad Khorchide und den Islamverbänden, die in Beiräten mitbestimmen sollen. Ein solcher Disput aber ist kaum Sache des Bundes, sondern der Länder. Viele andere Details sind Sache der Kommunen.
Alles hat seine Zeit. So wie die Wendezeit große Symbolpolitiker vom Schlage eines Helmut Kohl und Willy Brandt brauchte, so sehr schlug danach die Stunde der detailversessenen Pragmatiker. Diese Stunde ist nun in der Integrations- und Islampolitik ebenso gekommen. Eine große Symbolkonferenz ist längst nicht mehr nötig. Lasst die Islamkonferenz deshalb sterben.
Martin Benninghoff, Redakteur bei „Günther Jauch“ (ARD), ist Co-Autor des Buches „Aufstand der Kopftuchmädchen“, das sich mit der Reform des Islam und der Integration in Europa beschäftigt. Seine OC-Kolumne MyGration erscheint jeden zweiten Mittwoch.