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Strammer Rechtsausleger

Kolumne GRENZGÄNGER bei „Opinion Club“ und „Manager Magazin Online“ (erschienen am 11.06.2014 und 13.06.2014)

Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel gilt – neben Bernd Lucke – als das seriöse Gesicht der AfD. Dabei hat sich der ehemalige Top-Manager zum gewöhnlichen, durch Ressentiments gesteuerten Rechtsausleger entwickelt

 

Von Martin Benninghoff

Hans-Olaf Henkel ist das prominenteste Feigenblatt der Alternative für Deutschland (AfD). Sein Job: der Welt weismachen, dass seine Partei seriös, sauber und bloß nicht rechtspopulistisch sei. Durchaus mit Erfolg, wie die Debatte um eine Annäherung zwischen der Union und AfD zeigt. Henkel können sich einige Unionspolitiker im Gespräch und vor allem am Tisch mit Volker Kauder oder Angela Merkel vorstellen. Henkel macht einen koalitionsfähigen Eindruck.

Er zehrt von früheren Zeiten, als er noch ein gern gesehener Gast in den politischen Führungsetagen war, der ehemalige IBM-Manager, der als BDI-Präsident das prominente Gesicht des unternehmerfreundlichen Wirtschaftsliberalismus war. Ein Mann, der Weltläufigkeit und Noblesse ausstrahlte, und das nicht nur, weil er mit Fidel Castro eine Zigarre rauchte, sondern weil er sich auch noch für Amnesty International engagierte. Auch heute ist er noch Mitglied. Ein Grenzgänger, der sich zwar in Wut reden konnte, der aber nie seinen moralischen Kompass aus den Augen verlor. Ein Gentleman, der oft anderer Meinung war, der aber nie den breiten Konsensteppich geteilter Werte verließ.

Das war einmal.

Heute ist Henkel ein gewöhnlicher Rechtsausleger, der gegen „Altparteien“ wettert, gegen „politische Korrektheit“ sowieso, der überall „Gutmenschen“ am Werk sieht und dem Islam pauschal und undifferenziert unterstellt, mit Demokratie unvereinbar zu sein. Noch immer mögen seine Manieren vornehm sein, erst recht ist ihm abzunehmen, dass er sich in Gesellschaft ordinärer Rechtskrakeeler irgendwie unwohl fühlt. In der Sache aber, ja in der Sache unterscheidet er sich kaum noch von ihnen.

Zeit, nach bräunlichen Flecken auf der eigentlich weißen Weste Hans-Olaf Henkels zu suchen.

Henkel ist nicht erst mit seinen 74 Jahren zum Rechtsausleger geworden. Schon seine an sich harmlose Jazz-Kolumne in der angeblich libertären Rechts-Postille „Eigentümlich frei“ musste stutzig machen. Das Magazin ist eine Plattform für all jene, die den Untergang des Abendlandes durch EU-Politik, Gender Mainstreaming und den Islam prophezeien. Herausgeber und Chefredakteur ist ein in der Szene einschlägig bekannter Rechtspublizist, André Lichtschlag, der – welch Überraschung -, als Herausgeber auch für Akif Pirinçcis homophobem und ordinärem Rundumschlag „Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“ im Manuscriptum-Verlag verantwortlich zeichnet. Nicht weiter verwunderlich, dass Pirinçci ebenfalls Autor bei „Eigentümlich frei“ ist. Nicht weiter verwunderlich, dass Lichtschlag auch Autor der „Jungen Freiheit“ ist.

Henkel schrieb zudem für „Freie Welt“, ein ebenfalls rechtes Magazin des schlagkräftigen, unappetitlichen Netzwerkes „Zivile Koalition“ der Familie von Storch, die gegen Schwule, Abtreibung und Gender Mainstreaming wettert. Herausgeber der „Freie Welt“ ist Sven von Storch, der Ehemann von Beatrix von Storch, die – hier schließt sich erneut der Kreis -, mit Henkel auf der AfD-Fahrkarte ins EU-Parlament gezogen ist. Schon erstaunlich, wie und wo sich die Netzwerker der „Neuen Rechte“ in Deutschland wieder zusammenfinden.

Eines muss man festhalten: Henkel arbeitet nun mit solchen Leuten wie Beatrix von Storch zusammen. Sein Bemühen um Distanz ist vor diesem Hintergrund nicht mehr als ein durchsichtiges Manöver, gemeinsam mit AfD-Chef Bernd Lucke wählbar zu erscheinen auch für jene AfD-Sympathisanten, die vornehmlich über die Euro-Kritik zur Partei stoßen. Henkel ist deshalb peinlich genau darauf bedacht, niemals von seinem Sprechzettel als Chef-Euro-Kritiker der AfD abzuweichen: Homophobie gehört nicht zu seinen Lieblingsbaustellen. Dennoch, ungeniert sucht er die Nähe zu Schwulenhassern und Ausländerfeinden und begibt sich damit in die Niederungen, über die er eigentlich schweben will, die ihn aber doch merklich erden.

Vor allem an der „Zivilen Koalition“ zeigt sich die perfide Strategie der AfD, Henkels und seines Parteichefs Bernd Lucke, sich einerseits gegen Rechts abzugrenzen, andererseits aber mit den rechten Meinungsführern an weiteren Netzwerken zu weben: Noch im Oktober 2013 behauptete Lucke in der ARD, die „Freie Welt“ hänge nicht mit der AfD zusammen. Merkwürdig, erst recht im Nachhinein: Nur wenige Wochen später hievte Lucke die Vordenkerin der „Zivilen Koalition“, Beatrix von Storch, auf die EU-Liste seiner Partei. Angeblich gegen seine eigenen Bedenken.
Wer das noch glaubt, ist wirklich naiv.

Henkels Taktik funktioniert ähnlich.

Wo immer er kann, distanziert er sich vom Rechtspopulismus, er zeigt offene Empörung, dass er angeblich in die rechte Ecke gestellt werde, zelebriert den Sonderstatus eines Mannes, der sich für die Menschenrechte in China einsetzt, dann aber bei AfD-Wahlkampfveranstaltungen in Deutschland Polizeischutz braucht. Mit dieser PR-Politik der weißen Weste landet er durchaus Erfolge, etwa wenn ihm der „Stern“ den Gefallen tut, ihn als den sauberen AfD-Mann mit Penthouse in Berlin-Mitte darzustellen. Auch diesen Beitrag hier würde er sicher klar als einen Versuch brandmarken, ihn in eine Ecke zu drängen, in die er nicht gehöre.

Aber er gehört in diese Ecke: Warum sonst gibt er klaren Islamhasser-Medien wie „blu TV“, einem Ableger des Blogs „blu news“, ein Interview? Hinter diesem Internetmagazin steckt Christian Jung, ehemaliger bayerischer Landesvorsitzender der islamophoben Splitterpartei „Die Freiheit“. Henkel begibt sich damit wissentlich in Gesellschaft mit Leuten wie dem Rechts-Publizisten Marco Pino, Pseudonym „Frank Furter“, der bis vor einiger Zeit auf dem rassistischen Blog „Politicially Incorrect“ sein Unwesen trieb und nun Autor bei „blu news“ ist.

Henkel zieht derweil weiter durch die Medien mit seiner immer gleichen Botschaft – Politik brauche Kompetenz, und die AfD habe einen höheren Akademiker-Anteil als andere Parteien. Und so weiter. Das mag sein. Aber akademische Titel schützen ja bekanntlich nicht vor grobem Unsinn, vor allem wenn der Titelträger zu fachfremden Themen schwadroniert: Wie sonst ist zu erklären, dass der Ökonom Henkel die teils biologistischen und offen rassistischen Thesen des Ex-Bankers Thilo Sarrazins „ohne Wenn und Aber“ unterstützt? Wie sonst ist zu erklären, dass er den Muslimen im Land pauschal ins Stammbuch schreibt, „in Clans und Großfamilien“ erzogen worden zu sein – das gebe es „in anderen Kulturen nicht“. Warum sonst ignoriert er jegliche Migrationsforschung, die ein weitaus differenzierteres Bild zeichnet? Wie passt das zur Kompetenz, die er für sich und seine Mannen so gerne reklamiert?

Im Januar 2014 rief Henkel auf dem Europaparteitag der AfD seinen Parteifreunden zu: „Ich fühle mich wohl bei Ihnen. Ich habe nicht einen einzigen verrückten Neonazi oder Spinner gesehen.“ Gut, Neonazi – das ginge in der Tat zu weit. Aber wer noch glaubt, dass die AfD in zwei Lager gespalten ist – hier Euro-Kritiker, da Rechtsausleger – muss sich angesichts Hans-Olaf Henkels schon die Frage stellen, ob da vieles nicht mittlerweile in Personalunion funktioniert. Die Union muss sich ernsthaft überlegen, ob Henkel ein guter Koalitionspartner für sie sein kann. Und die Union wird sich überlegen müssen, wer diese AfD eigentlich ist: Sie sollte sich dafür das prominenteste Feigenblatt der Partei, Hans-Olaf Henkel, genauer anschauen.

Martin Benninghoff, Journalist in Berlin, ist Co-Autor des Buches „Aufstand der Kopftuchmädchen“, das sich mit der Reform des Islam und der Integration in Europa beschäftigt. Seine OC-Kolumne “Grenzgänger” erscheint jeden zweiten Mittwoch.

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