Artikel erschienen bei FAZ.NET (23.03.2018)
Von Martin Benninghoff
Ein bisschen Spaß muss sein – auch in der Politik. Manche Politiker versuchen im Bundestag, mit Humor und Satire auf die AfD zu reagieren. Kann das gutgehen? Der ehemalige Rechtspopulist und Haider-Mitarbeiter Stefan Petzner vertritt im FAZ.NET-Interview eine klare Haltung.
Vorbei sind die Zeiten, als die AfD von sich sagen konnte, CDU, CSU, SPD, Grüne, FDP und Linke seien die etablierten Parteien und sie die frische neue Kraft. Spätestens mit dem Einzug in den Bundestag ist die Partei im Politikbetrieb angekommen – und muss sich als größte Oppositionspartei den parlamentarischen Regeln und Gewohnheiten stellen. Nicht nur den Argumenten der politischen Gegner oder der Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wie am Mittwoch. Sondern auch dem Humor, dem Spott oder der (so empfundenen) Abkanzlung durch die Vertreter der anderen Parteien.
Welche Rolle spielen Satire und Ironie für Populisten? Einer, der es wissen muss, ist Stefan Petzner. Der 37 Jahre alte Österreicher war als ganz junger Politiker enger Vertrauter, Sprecher und Wahlkampfhelfer von Jörg Haider, des 2008 bei einem Autounfall verstorbenen Kärntner Landeshauptmannes und Rechtspopulisten der österreichischen FPÖ und später der Abspaltung BZÖ.
Nach dem Tod Haiders ging es für Petzner innerhalb der Partei abwärts, 2013 wurde er ausgeschlossen. Heute arbeitet er als PR-Unternehmer und Politikberater in Wien und hat mit seiner Vergangenheit als Rechtspopulist gebrochen.
Herr Petzner, Sie haben gesagt, Rechtspopulisten begegne man am besten mit Ignoranz. Wie weit kann man eine Partei ignorieren, die wie die AfD im Bundestag sitzt?
Adolf Hitler hat einmal in einer erstaunlich offenen Rede 1938 im Münchner Bürgerbräukeller den Aufstieg der NSDAP nachgezeichnet und dazu wörtlich gesagt: „Die erste Phase dieses Kampfes war, andere überhaupt auf sich aufmerksam zu machen. Das war sehr schwierig. Es war ein Kampf um die Aufmerksamkeit, und man musste damals zu allen möglichen bedenklichen Mitteln greifen, um diese Aufmerksamkeit zu erregen. Man musste auch mal etwas Krach machen, etwas Skandal machen, irgendjemanden sogar verprügeln! Das war ganz gleichgültig. Aber man musste die Aufmerksamkeit erregen!“ Erstaunlich und erschaudernd zugleich, welche Parallelen es heute gibt. Und genau darum geht es mir, wenn ich immer wieder appelliere, der AfD eben nicht dauernd die ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, indem man auf jede ihrer Aktionen und Provokationen einsteigt, sondern stattdessen eine bewusst sachlich-nüchterne, inhaltliche Auseinandersetzung mit ihr zu pflegen. Das gilt gerade jetzt, da sie im Bundestag sitzt, umso mehr.
Sie waren enger Mitarbeiter von Jörg Haider, der auf Satire und Humor des politischen Gegners besonders dünnhäutig reagierte. Was ist so gefährlich an Humor?
Kennzeichen rechtspopulistischer Bewegungen sind ihre hierarchischen Strukturen, die auf eine zentrale Führungsfigur als hochstilisierten Heilsbringer ausgerichtet sind. Nichts ist diskreditierender, als dieser erlöserähnlichen Heilsfigur mit Spott, Humor und beißender Ironie zu begegnen und sie so wieder zu vermenschlichen. Daher reagieren Populisten auch so empfindlich darauf. Man kann das Stilelement des Humors und der Satire schon auch als Politiker einstreuen, aber nur sehr dosiert und vor allem, wenn man es auch sicher beherrscht. Politiker sind ja meistens eher schlechte Humoristen. Da kann ein gut gemeinter Gag auch schnell nach hinten losgehen.
Wie hat Jörg Haider auf Satire reagiert? Wie der österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache?
Wie Strache ausnehmend empfindlich, weil es seinem politischen Konzept und charakterlichen Naturell völlig zuwider lief. Wie gesagt: Populisten werden zu Heilsbringern stilisiert und glauben in ihrer narzisstischen Verblendung, sie seien es tatsächlich. Denken Sie nur an Donald Trump. Das macht sie umso dünnhäutiger, gerade gegenüber Satire und Ironie.
Im Bundestag reagieren die Fraktionen teilweise mit Humor auf AfD-Anträge wie jenen, Deutsch als Landessprache im Grundgesetz zu verankern. Der SPD-Abgeordnete Saathoff konterte sogar auf Plattdeutsch und wurde von den Kollegen dafür gefeiert. War das gut?
Die Plattdeutsch-Rede fand ich sehr gelungen, weil sie zwei Effekte hatte: Erstens gelang in diesem Fall der politische Konter über den Weg des Humors ausgezeichnet, andererseits konnte Saathoff damit das Vorurteil zerstreuen, das gerade Parteien wie die AfD zu streuen versuchen: Die im fernen Berlin sitzen in einem Glaspalast namens Bundestag und sind weit weg vom Volk. Saathoff hat mit seinem Plattdeutsch gezeigt, dass dem nicht so ist, indem er so geredet hat wie der Mann von der Straße in seiner Heimat.
Haben Rechtspopulisten zu wenig Humor?
„Indem sie sich über uns lustig machen, machen sie sich über euch, das Volk, lustig“: Eigentlich müsste das das Ziel der AfD in ihren politischen Antworten auf die „etablierten Parteien“ sein. Dafür gäbe es Mittel und Wege. Ich werde aber den Teufel tun, das der AfD zu verraten! Extremisten sind im Kern traurige Menschen, die das Lachen verlernt haben, weil sie die Freude an der Welt, wie sie sie vorfinden, verloren haben und mit ihr so gar nichts anfangen können. Daher wollen sie ja auch immer den totalen Umsturz der Welt. Das gilt für Linke wie für Rechte.
Andere Strategien der Parteien gegenüber der AfD sind die rhetorisch-moralische Entrüstung wie bei Cem Özdemirs Abrechnung mit der AfD im Fall Deniz Yücels – oder die kühl-arrogant-wirkende Abkanzlung, wie sie der FDP-Abgeordnete Wolfgang Kubicki in Talkshows und auch im Bundestag beherrscht. Geht diese Strategie auf oder ist sie kontraproduktiv?
Ich empfand weder Özdemirs Rede zu Yücel gelungen noch das abkanzelnde Verhalten von Kubicki. Beiden ist gemein, dass sie im Umgang mit der AfD das Gefühl der absoluten moralischen Überlegenheit und Privilegierung vermitteln wollen. Am Ende stärken sie damit aber nur das Bild, das die AfD gegenüber ihren Wählern zu zeichnen versucht: Wir als Vertreter des einfachen Volkes gegen die arroganten, abgehobenen Eliten der anderen Parteien, die euch längst nicht mehr verstehen.
Könnten andere Parteien der AfD nicht einfach zugestehen, mitunter auch die richtigen gesellschaftspolitischen Fragen zu stellen, um sich dann den ihrer Meinung nach falschen Antworten zu widmen? Oder muss immer alles in Bausch und Bogen verdammt werden, nur weil es die AfD sagt?
Das sollen sie ihr sogar unbedingt zugestehen! Es geht einerseits darum, gerade heikle, aber massentaugliche politische Themenfelder nicht der AfD alleine zu überlassen und andererseits klar zu machen, dass die AfD inhaltlich keine oder nur unzureichende Lösungen zu bieten hat. Wir dürfen nicht vergessen: Parteien wie die AfD leben ja auch wesentlich von Protestwählern, deren Eindruck nun einmal ist, dass sich die etablierte Politik nicht um die wahren Probleme der Bürger kümmert. Dieser Eindruck darf nicht entstehen.
Wie kann man dem Versuch der AfD begegnen, durch die eigene Präsenz und Fotos leerer Ränge im Bundestag den Eindruck zu erwecken, die Vertreter der anderen Parteien seien untätig?
Ruhig Blut! Ich würde die Wirkung solcher Fotos nicht überbewerten. Für Parlamentarier sollte aber generell gelten, bei Sitzungen, gerade im großen Plenum, auch anwesend zu sein.
Manche fordern einen „souveränen“ Umgang mit der AfD im Bundestag. War es souverän, den AfD-Mann Roland Reusch im ersten Durchgang der Wahl zum Geheimdienstkontrollgremium durchfallen zu lassen?
Man muss beim Umgang mit der AfD im Bundestag extrem aufpassen, dass nicht das Bild von nur noch zwei Lagern entsteht: die AfD auf der einen und alle anderen Parteien auf der anderen Seite, die sich trotz aller politischen und ideologischen Unterschiede gegen die AfD verbündet haben. Damit macht man die AfD bedeutsamer, als sie ist und hilft ihr nur bei ihrem Streben nach Stigmatisierung und dabei, sich als Opfer zu inszenieren, als Märtyrer. Drittens, und das ist sehr gefährlich, verschafft man ihr damit unfreiwillig ein sehr mächtiges Alleinstellungsmerkmal, das sie erreichen will. Nämlich die einzige echte Alternative zu den anderen Parteien zu sein.
Österreich hat seit vielen Jahren Erfahrung mit rechtspopulistischen Parteien im politischen Spektrum. Wie haben sich die österreichischen Rechtspopulisten auf Satire und Humor eingestellt?
Sie versuchen mittlerweile, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, indem sie etwa an satirischen Fernsehformaten aktiv teilnehmen. Das ist aber nur bedingt erfolgreich. Ein Auftritt von FPÖ-Chef Strache bei einem Comedian, der in seiner Sendung in die Rolle des österreichischen Kaisers schlüpft, ist in Österreich fast schon legendär, weil Strache sich dazu hinreißen ließ, der Einladung in die Sendung zu folgen. Dort wurde er vom Gastgeber, dem Kaiser, aber derart geschickt in seine Einzelteile zerlegt, dass der Aufritt für ihn zu einer absoluten Blamage wurde. (Petzner meint die ORF-Sendung „Wir sind Kaiser“ des Kabarettisten Robert Palfrader. Die Sendung war auch auf 3sat zu sehen – und lockte allerlei deutsche Prominente wie Helge Schneider und Lena Meyer-Landrut ins Studio, Anm. des Autors).