Artikel erschienen bei FAZ.NET (am 26.03.2018)
Von Martin Benninghoff
Gerüchten zufolge ist Nordkoreas schüchterner Machthaber Kim Jong-un zu einer ersten Auslandsreise seit der Machtübernahme aufgebrochen – nach China. Wenn das stimmt, wäre das ein weiteres wichtiges Kapitel in der Wiederannäherungspolitik an den großen Nachbarn.
Kim Jong-un ist möglicherweise zu seiner ersten Auslandsreise in seiner Funktion als nordkoreanischer Machthaber aufgebrochen. Nachdem am Montag zunächst Gerüchte kursierten, will die amerikanische Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf ungenannte Quellen erfahren haben, dass es sich bei der Eskorte in Peking tatsächlich um die Kims handeln soll. Chinas Außenamtssprecherin Hua Chunying sagte am Montag, ihr lägen keine Informationen dazu vor.
Stimmt der Bericht, dann wäre das die erste Auslandsreise eines nordkoreanischen Staatsführers seit 2011. Kurz vor seinem Tod war Kims Vater Kim Jong-il mit einem Sonderzug ins russische Sibirien gefahren. Der damalige Diktator soll Angst vorm Fliegen und vor Anschlägen gehabt haben. Flugangst wird sein Sohn Kim Jong-un eher weniger haben, denn im Inland nimmt er gelegentlich ein Flugzeug, eine neuwertige Antonov. Warum er nach China den Zug nehmen könnte, bleibt Spekulation. Möglicherweise hat er Angst vor einem Anschlag, der auf ein Flugzeug leichter als auf einen langen Zug erfolgen könnte.
Videoaufnahmen, auf die unter anderem die japanische Nachrichtenagentur Kyodo News hingewiesen hatte, zeigen einen Zug, der dem früheren Zug Kim Jong-ils ähnlich sieht, wie er die chinesische Grenzstadt Dandong in Richtung Peking passiert. Die Stadt liegt auf der Strecke zwischen Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang und Peking und gilt als eine der wichtigsten Grenzorte im Waren- und Personenverkehr zwischen China und Nordkorea. Die Wohlstandsunterschiede der beiden Nachbarstaaten fallen hier besonders ins Auge: Während die Skyline von Dandong hell erleuchtet ist, versinkt die nordkoreanische Seite rund um die Grenzstadt Sinuiju in Dunkelheit.
Der mögliche Besuch würde in die derzeitige Entspannungsphase in der Konfliktregion passen. China ist Nordkoreas wichtigster Verbündeter, allerdings hatte sich das Verhältnis in den vergangenen Monaten stark abgekühlt. Die chinesische Regierung hatte mehrfach das nordkoreanische Atomprogramm und die Raketentests der Pjöngjanger Regierung kritisiert – und im Gegenzug die Beziehungen zu Südkorea verbessert. China trägt die Sanktionen der UN gegen Nordkorea mit. Im April und Mai sollen Gipfeltreffen mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in sowie mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump stattfinden.