Artikel im F.A.Z.-Blog „Schlaflos“ (08.01.2019)
Von Martin Benninghoff
Wenn ich zu meinem Sohn will, ist meine Frau oft schon da. Wie mogelt man sich als Vater in eine enge Mutter-Kind-Bindung?
Manchmal komme ich mir vor wie jemand, der sich beim Grillen oder Spülmaschineausräumen demonstrativ so doof anstellt, dass ihm alle Arbeiten abgenommen werden. Das betrifft bei uns weder Grillen noch Spülmaschineausräumen, denn in beiden Disziplinen bin ich ganz patent, würde ich sagen. Es betrifft aber die Kindererziehung.
Wenn unser Sohn morgens aus dem Bettchen ruft und ich zu ihm gehe, kann es passieren, dass meine Frau schon da ist. Spreche ich mit ihm am Abendbrottisch, stelle ihm eine Frage – „Wie war es bei der Tagesmutter?“ –, kann es passieren, dass sie antwortet. Oder noch besser: Sie ergänzt meinen Satz, vervollständigt ihn, fügt an, relativiert ihn oder betont einen Aspekt, den ich gar nicht meinte. Es ist zum Mäusemelken!
Das führt gelegentlich zu meinem von Reaktanz getriebenen Verhalten, mir jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten zwischen Sohn und Vater zu verbitten. Ich poche dann wenig diplomatisch auf mein Recht auf die väterliche Souveränität und Unverletzlichkeit meiner Autonomie. So wie Nordkorea sauer reagiert, wenn die Vereinten Nationen oder die Vereinigten Staaten mal wieder gute Ratschläge für Kim Jong-un parat haben.
Damit ist die Verteilung klar, meine Frau ist die UN – und ich bin Nordkorea. Natürlich bin ich schuldig, und das jetzt fast ohne Ironie. Ich habe es selbst begünstigt, dass man mir nichts mehr zutraut und mich an die Hand nimmt, als wäre ich das Kind und nicht der Kleine. Ich arbeite Vollzeit, meine Frau halbtags. Ergo verbringt sie mehr Zeit mit dem Kind – und verantwortet all das, vor dem ich mich unverschuldet und verschuldet drücke.
Zum Beispiel, wenn es ans Windelwechseln geht. Sagen wir mal so, ich pflege einen gewissen Langmut, was die Wechselintervalle angeht. Meine Frau ist kürzer getaktet, also springt sie häufiger als ich zur familieninternen Säuberung auf. Selbst bei lebenswichtigen Verrichtungen wie dem Essenfassen baue ich gelegentlich stärker als sie auf die körpereigenen Fettreserven. Wenn dazu Fragen aufkommen, reagiere ich schon mal mit einem interessiert-abwartenden „gleich“.
Ich bin selbst schuld, das gebe ich zu, ja, ja und ja. Aber ich weiß auch, dass dieses kleine Problem bei vielen Familien vorkommt, ich bin nicht allein der Dumme. Auch von anderen Vätern – und wenigen Müttern – höre ich, dass es schwierig sein kann, zwischen Kind und Erstversorger zu schlüpfen und das eigene Plätzchen zu finden. Viele ziehen sich als Reaktion in ihren Schmollwinkel zurück und sind froh, ihre Ruhe zu haben.
Es wird vor allem den Vätern leichtgemacht, denn die klassische Rollenverteilung ist längst noch nicht aus den Köpfen verbannt. Die meisten Mütter, die ich kenne, akzeptieren sehr schnell, wenn sich ihre Männer gedanklich oder auch sonst für eine Zeitlang aus dem Staub machen. Sie sind durchaus selbst dafür verantwortlich, wenn sie so stark ans Kind gebunden sind, dass kaum noch für andere Platz ist.
Was hilft? Spitzen und kritische Bemerkungen gegenüber dem Partner helfen zwar für den Moment, als psychologisches Entlastungsventil, aber ich garantiere, die nächste Übergriffigkeit erfolgt in Kürze. Nachhaltiger ist es, die Verantwortlichkeiten von Beginn an etwas gleichverteilter anzugehen. So viel zur Theorie, die nicht immer leicht in die Realität übertragen werden kann.
Es ist ja so, wenn zwei berufstätig sind, der eine aber mehr, der andere weniger, ergeben sich zwangsläufig unterschiedliche Bindungen ans Kind. Wenn der Kleine sich den Kopf stößt oder vom Sofa purzelt, bin ich der Vize-Tröster und meine Frau die Nummer Eins. Erst wenn sie nicht da ist, rücke ich auf den ersten Platz, und mein Sohn tut so, als sei das immer schon so gewesen. Das kann ich nicht verhindern, es sei denn, ich würde halbtags arbeiten gehen und meine Frau voll berufstätig sein.
Aber vieles schleicht sich ein, weil es bequem ist. Wer nicht so gerne Windeln wechselt, reißt sich nicht nach dieser Tätigkeit. Und wird dann als Konsequenz vom Kind nicht mehr als verlässliche Institution wahrgenommen. Ich werde deshalb meine Windelintervalle kürzen und meine Verlässlichkeit damit in den familiären Beziehungen unter Beweis stellen. So schafft man Vertrauen fürs Kind, und so schafft man Vertrauen, Kim!