Ein lesenswerter Artikel meines Kollegen Peter Seidel vom Kölner Stadt-Anzeiger. Der Artikel lässt erahnen, dass wir irgendwann – ich prophezeie: schon in zehn Jahren – über die heutigen Integrationsdebatten lachen werden. Wir werden uns sogar die Frage stellen, wie wir damals so naiv haben über das Thema Integration sprechen können. So wie wir und die Amerikaner heute darüber lachen können, wie Benjamin Franklin einst über die Integration der Deutschen in Amerika dachte.
„Diejenigen, die hierherkommen, sind im Allgemeinen von der ignorantesten, dümmsten Sorte ihrer Nation. Es ist fast unmöglich, ihnen überkommene Vorurteile wieder zu nehmen.“ Thilo Sarrazin hätte es nicht prägnanter formulieren können. Und doch ist das Zitat nicht auf Türken in Deutschland gemünzt. Es stammt von Benjamin Franklin, einem der Gründerväter der Vereinigten Staaten. Franklin schreibt die wenig schmeichelhafte Einschätzung in einem Brief des Jahres 1753 – über deutsche Einwanderer in die damals noch englische Kolonie Pennsylvania. Franklin, Mitglied des gewählten Abgeordnetenhauses von Pennsylvania, hält gar nichts von den Deutschen. „Da sie an die Freiheit nicht gewöhnt sind, können sie mit ihr nichts anfangen. Sie lehnten es bescheiden ab, an unseren Wahlen teilzunehmen, aber jetzt kommen sie in hellen Scharen. Kurz, wenn es nicht gelingt, ihren Zuflussstrom von dieser in andere Kolonien zu lenken, werden sie uns bald an Zahl übertreffen.“
Und so wie Sarrazin letztlich meint: Türken brauchen wir in Deutschland nicht, tönte Franklin vor 250 Jahren: Pennsylvania den Engländern! In seinem Essay „Amerika als Land der Möglichkeiten“ fragt er 1751: „Warum sollte Pennsylvania, gegründet von den Engländern, eine Kolonie der Fremden werden, die in Kürze so zahlreich sein werden, dass sie uns germanisieren, anstatt dass wir sie anglisieren?“
Abgesehen von ihrer Dummheit störte Franklin an den Deutschen aber noch etwas anderes: ihre „swarthy complexion“, ihr dunkelhäutiges Aussehen, das sie, wie viele in Europa, irgendwie den Afrikanern ähnlich macht. „In Europa sind Spanier, Italiener, Franzosen, Russen und Schweden von, wie wir es sagen, dunkler Hautfarbe; so wie auch die Deutschen, mit Ausnahme der Sachsen, die mit den Engländern den Hauptteil der weißen Menschen ausmachen.“
Franklins Abneigung gegen die Deutschen mag auch damit zu tun haben, dass seine eigenen Versuche, sie als Kunden zu gewinnen, fehlschlugen. 1732 gründete er die erste deutschsprachige Zeitung in den späteren USA, die „Philadelphische Zeitung“. Das Blatt ging nach einem Jahr pleite. Franklins verbales Grätschen gegen deutsche Einwanderung fruchtete übrigens wenig. Pennsylvania ist heute mit Texas und Kalifornien der US-Staat mit der größten Zahl deutschstämmiger Amerikaner. Doch Abneigung gegen alles Deutsche war auch in anderen Teilen der USA noch lange zu spüren. Nebraska, ebenfalls ein US-Bundesstaat mit großer deutscher Einwanderung, musste sich vom Obersten US-Bundesgericht 1923 sagen lassen, dass „die bloße Kenntnis der deutschen Sprache nicht als schädlich angesehen werden kann“. Das oberste Gericht Nebraskas hatte einen Lehrer verurteilt, der auf Deutsch Unterricht erteilte.