Kommentar von Martin Benninghoff im „Deutschlandradio“ (21.04.2012)
Volker Kauder, der Fraktionschef der Union im Bundestag, hat der Deutschen Islamkonferenz ungewollt einen großen Dienst erwiesen. Mit seiner Äußerung im Vorfeld, der Islam gehöre weder zur Identität noch Tradition der Deutschen, hat er den Teilnehmern der Konferenz die Möglichkeit gegeben, zu gähnen und gelangweilt abzuwinken.
Auch der beim Thema Islam ohnehin lustlos wirkende Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hatte offenbar keine Lust mehr, sich zu dieser Provokation seines Fraktionsfreundes zu äußern. Selbst er ist in dieser Frage schon weiter, weil er weiß, dass der Islam ein Thema für den Innenminister ist – und nicht für den Außenminister. Der Islam ein Teil Deutschlands? Natürlich! Kauders Versuch, einen Kulturkampf zu initiieren, ist damit gründlich gescheitert. Denn in den vergangenen Jahren hat sich etwas bewegt in der deutschen Integrations- und Islamdebatte: Die vielen verschiedenen islamischen Richtungen und die ebenso verschiedenen Muslime sind weiter in der Gesellschaft aufgegangen. Es gibt mehr bikulturelle Ehen, mehr Freundschaften und Familienzusammenführungen, mehr Berührungspunkte. Erst recht unter jüngeren Menschen.
Nach wie vor ist nicht alles rosig, aber zum Kulturkampf „Wir gegen den Islam oder: der Islam gegen uns“ – den Kauder gerne aus der Mottenkiste holen würde – taugt der Islam zum Glück schon längst nicht mehr. Das allmähliche Ende dieser großen Polarisierung könnte jedoch auch das Ende der Islamkonferenz sein. Denn eigentlich ist schon alles auf dieser großen Bühne gesagt, die Wolfgang Schäuble einst symbolträchtig aus der Taufe hob und die durchaus einiges bewirkt hat. Aber jetzt sind alle Fotos geschossen, die Hände der Staats- und Verbandsvertreter zig Mal geschüttelt. Oder braucht noch wer allgemeine Statements zur Ächtung von häuslicher Gewalt oder Zwangsheiraten, wie dieses Mal? Gibt es auf der großen Bühne nicht längst einen Konsens in diesen Fragen?
Längst sind wir ein Stück weiter, es gibt jetzt einige Detailfragen zu beantworten: Zum Beispiel das aktuelle Problem der radikalislamischen Salafisten, die sich immer öfter aus der Deckung wagen – zuletzt mit ihrer Koran-Verteilaktion in deutschen Fußgängerzonen. Das Problem dabei ist ja nicht der Koran, sondern die rückwärtsgewandte Übersetzung und die Ideologie der Islamisten im Hintergrund. Die zielt vor allem auf junge Männer, die nach Orientierung und festen Regeln lechzen, und hat im Grunde so viel mit einem reflektierten Religionsverständnis zu tun wie das Mittelalter mit der Emanzipation der Frau. Hiergegen sollten die muslimischen Verbände mit staatlicher Unterstützung vorgehen. Für Präventionsprogramme aber fehlt ihnen meist das Geld und das Wissen – viele Mitarbeiter sind Ehrenamtliche, Konzepte für Sozialarbeit fehlen. Die Kommunen müssten hier finanzielle Hilfe leisten. Jedenfalls reicht es nicht aus, dem Problem der Salafisten mit Mitteln der Überwachung und Kontrolle zu begegnen. Der Kampf um die Köpfe muss viel früher ansetzen.
Ein solches konkretes Vorgehen aber ist Sache der Menschen vor Ort – in den Städten, Dörfern und Kreisen. Die große Bühne der Islamkonferenz ist dazu kaum geeignet, noch dazu wenn einzelne Politiker im Vorfeld für schlechte Stimmung sorgen. Nicht nur Kauder gehörte dazu, nein, einzelne Landesminister forderten die muslimischen Verbände auf, sich von den Salafisten zu distanzieren – was die Verbände sofort brüsk ablehnten. Politische Reflexe, die man zur Genüge kennt: Hier diejenigen, die Bedingungen stellen, und dort diejenigen, die sich in die Ecke gestellt fühlen und deshalb abblocken.
Es wäre besser, wenn man sich über konkrete Maßnahmen unterhält oder bereits angeschobene Initiativen etwas beschleunigt. Der islamische Religionsunterricht an Schulen zum Beispiel, der bald als Erstes in Nordrhein-Westfalen starten soll, ist noch schlecht vorbereitet. Weder gibt es staatlich ausgebildete Lehrer noch einen geprüften Lehrplan. Bis dahin, so der Plan der Landesregierung in Düsseldorf, springen andere Lehrer ein. Ob die aber fachlich und didaktisch geeignet sind, einen vernünftigen Religionsunterricht zu erteilen, ist fraglich. Auch die Frage, wann die muslimischen Verbände bei der Auswahl der Lehrer mitzureden haben, ist noch nicht vollends geklärt. Das müsste man aber nun tun, um dem primitiven Buchstabenglauben der Salafisten wirksam etwas entgegenzusetzen.
Eigentlich soll sich die Islamkonferenz in dieser Phase mit den praktischen Fragen der Integration beschäftigen. Tut sie das stärker als bisher, so kann sie künftig noch einen Sinn haben. Beschränkt sie sich aber weiterhin auf große Erklärungen statt konkrete Ergebnisse zu bringen – dann ist sie überflüssig.