Kommentar beim „Opinion Club“ (10.12.2013)
Arabische Staaten wollen mehr anbieten als nur Gas und Öl? Sie wollen kulturell und sportlich eine Marke werden? Sollen sie doch! Der Westen sollte allerdings mehr Druck auf die Regime ausüben, ihre feudalen Gesellschaften und Praktiken zu verändern. Das beste Argument: Imageverbesserung
Von Martin Benninghoff
Saudi-Arabien ist einer der wichtigsten Abnehmer deutscher Rüstungsguter. Nun gut, den Löwenanteil machen solche Dinge wie Grenzsicherungsanlagen aus, die nicht unbedingt zur internen Repression genutzt werden können. Andererseits bleibt die Frage: Hat es die deutsche Wirtschaft nötig, durch Aufträge an – gelinde gesagt – zweifelhafte Regierungen, ihre Bücher zu füllen? Nein. Vor allem Kriegswaffen und kleinere, aber tödliche Waffen wie Maschinengewehre und Maschinenpistolen gehören aus deutschen Händen nicht in saudi-arabische. Würde die künftige Bundesregierung die existierenden Grundsätze im Rüstungsexport beherzigen, dürften keine Waffen nach Saudi-Arabien gehen – in ein Empfängerland also, das Menschenrechte im großen Stil verletzt.
Jetzt können Kritiker natürlich einwenden, dass sich Riad dann vermutlich woanders bedient. In China vielleicht, wo man weniger Skrupel hat, Despotien Waffen zu verkaufen. Andererseits, eine staatliche Rüstungsexportpolitik, die sich strengen menschenrechtlichen Vorsätzen verpflichtet fühlt, muss dies auch umsetzen. Und ihren Bürgern ein Vorbild sein, was den Umgang mit undemokratischen Methoden im arabischen Raum angeht.
Ja, was denn nun? Wie sollen die Bürger darauf schon Einfluss haben? Das aber ist zu kurz gedacht: Die arabischen Staaten, die durch ihre Ölmilliarden in den vergangenen Jahrzehnten enorme wirtschaftliche Aufschwünge hingelegt haben, streben längst auch in die Wohnzimmer der Europäer und Deutschen. Sie wollen eine Marke sein, die mehr als Gas und Öl verspricht, eine Marke, die sportlich und kulturell wahrgenommen wird. Katar richtet die Fußballweltmeisterschaft 2022 aus. Und die wird bekanntermaßen besonders gerne in Europa geschaut, zumal sportlich auch aus Deutschland, Frankreich, England und Italien bezahlt.
Die Investitionen von Ländern wie Katar oder Arabische Emirate in diese neuen Marken sind beträchtlich. Ihr Problem: Die feudalen Methoden, die solche Staaten – und auch Saudi-Arabien – etwa im Umgang mit ihren Einwanderern „pflegen“, beschädigen das Markenimage nachhaltig. Sie sind empfindlich geworden, auch wenn sich die Monarchen und Despoten nach außen hin unbeeindruckt geben. Eine Weltmeisterschaft, die auf Leichen von eingewanderten Arbeitern stattfindet, hat nicht den Glamour, den sich die Königshäuser eigentlich wünschen. Schmücken können sie sich damit im Westen jedenfalls nicht, auch wenn einzelne Geschäftsleute und Sportfunktionäre ihre europäischen Moral-Standards am Flughafen von Dubai oder Doha offenbar abstreifen und „großzügig“ über Menschenrechtsprobleme hinwegsehen – Franz Beckenbauer lässt grüßen („Ich hab‘ noch keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen.“)
Über weiche Faktoren lacht keiner mehr
Weiche Standortfaktoren – darüber haben schon deutsche Unternehmer gelacht, als es darum ging, China wegen Menschenrechtsverbrechen zu kritisieren. Zu den Olympischen Spielen 2008 galt das als wirtschaftsfeindlich und naiv. Völlig zu Unrecht: Die chinesische Regierung bewegt sich mittlerweile und wagt ein bisschen mehr Demokratie. Das mögen manche westliche Kolumnisten als Augenwischerei abtun, in Wahrheit aber sind auch kleine Schritte wichtig, wenn sie in die richtige Richtung gehen. Und diese kleinen Schritte sind maßgeblich über den Faktor Image angestoßen worden: Wer Investoren und Partner sucht, möchte ein möglichst gutes Bild nach außen abgeben – die Chinesen haben das begriffen, weil sie gemerkt haben, dass ihnen ein schlechtes Image nichts bringt, aber viel kostet.
Dabei ist ihr Demokratisierungsweg sicherlich viel weiter als die der Russen, die in diesen Tagen besonders empfindlich auf Druck von außen reagieren: Bundespräsident Gauck oder die EU-Justiz-Kommissarin Reding wollen beide nicht zu den Olympischen Winterspielen nach Sotschi fahren, weil sie sich nicht in den Inszenierungsreigen des autoritären Präsidenten Putin einreihen wollen. Es mag immer noch einige Unverbesserliche geben, die das als „Gutmenschentum“ abtun: Aber so wirklich lacht keiner mehr darüber, zumal die Entrüstung in Moskau über solche Absagen bestätigt, welch wunder Punkt bei ihnen getroffen wurde. Heute kann das noch keiner vorhersagen, aber es ist denkbar, dass selbst die notorischen Hardliner in den Präsidentenpalästen der postsowjetischen Staaten eines Tages ihr Verhalten stärker an Imagefragen ausrichten.
Arabische Monarchen versuchen derweil, Kritik an ihrem eigenen Verhalten gegenüber Minderheiten und Einwanderern als Islamfeindlichkeit oder Rassismus abzutun. Ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver. Ein anderes Argument allerdings könnte ihnen in die Karten spielen: Wenn die westlichen Staaten ihre eigenen Grundsätze links liegenlassen und stattdessen eine gehörige Portion Doppelmoral an den Tag legen, dann schwächt das die moralische Position der Europäer. Meldungen über hunderte tote Asylflüchtlinge, die auf dem Mittelmeer umkommen, oder über Einwanderer, die in italienischen Lagern unter unmöglichen Zuständen hausen, machen europäische und deutsche Menschenrechtsappelle in Richtung Arabien unglaubwürdig. Und zerstört die Chancen, die Lage vieler wie Sklaven gehaltenen Gastarbeiter in diesen Staaten zu verbessern. Vergesst also Franz Beckenbauer und andere Betonköpfe aus der Funktionärsriege. Image ist längst ein gutes Mittel, selbst Despoten und andere autoritären Köpfe an einem wunden Punkt zu packen.