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Zu spätes Symbol

Kolumne beim „Opinion Club“ (18.12.2013)

Von Martin Benninghoff

Die neue Staatsministerin für Integration Aydan Özoguz ist die erste türkischstämmige Frau am Kabinettstisch. Symbolpolitisch kommt das zu spät. Und realpolitisch hat das Amt wenig Macht

Vor einigen Jahren wäre diese Besetzung noch ein überraschender Coup mit Breitenwirkung gewesen: Aydan Özoguz, Tochter eines türkischen Händlers, wird also als erste türkischstämmige Frau an einem deutschen Kabinettstisch sitzen. Wow, Aufstieg einer Migrantin bis in die Sphären des Kanzleramts. Das wäre ein Statement gewesen, sagen wir, vor zehn Jahren, als breite Kreise der Bevölkerung, der Medien und der Politik noch nicht begriffen hatten, wie sehr sich Deutschland durch Einwanderung verändert hat.

Dieses Mal allerdings fällt die Überraschung aus, und die Signalwirkung ist allenfalls nur noch ein schwaches Leuchten. Warum? Eine solche Besetzung kommt zu spät, um symbolpolitisch noch eine bedeutende Rolle zu spielen. Heute sind Migranten längst in den Normalitäts-Etagen der Arbeits- und Berufswelt angekommen. Nicht nur in den Medien treten immer öfters Journalisten und Moderatoren mit arabischen oder türkischen Namen auf, auch in den Wirtschafts- und Konzernchefetagen schätzt man heutzutage die Kompetenz der Aufsteiger aus den Einwandererfamilien.

Integrationspolitik im Jahr 2014 ist deshalb vor allem Sozial- und Bildungspolitik. Da geht es schon längst nicht mehr um die Einwanderernachkommen, die ihren erfolgreichen Weg beschritten haben – und kaum noch von anderen Deutschen zu unterscheiden sind. Es geht nur noch um die problematischen Fälle von Bildungsfernen und Langzeitarbeitslosen, von Verwahrlosung und Rückfall in fundamentalistische Religionsphantasien bei denen, die abgehängt sind oder die sich abgehängt fühlen. An dieser Stelle funktioniert ohnehin keine Symbolpolitik, an dieser Stelle funktioniert Realpolitik, die im Bund, den Ländern und vor allem in den Kommunen geleistet wird.

Kaum Einfluss

Auf den Bund bezogen passiert diese Realpolitik im Innenministerium (Staatsrecht und Sicherheitspolitik) und natürlich im Arbeits- und Sozialministerium (Arbeitsmarkt und Chancengleichheit). Eine Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration kann Impulse setzen und Reden halten, aber machtpolitisch hat sie kaum Einfluss, zumal sie es als SPD-Politikerin im CDU-geführten Kanzleramt nicht leicht haben wird sich durchzusetzen. Bleibt zu hoffen, dass Özoguz ein gutes Verhältnis zur Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles hat oder entwickelt – und über die Parteibande spielen kann.

So sehr SPD-Chef Sigmar Gabriel mit dem Mitgliederentscheid ein eindrucksvolles Zeichen gesetzt hat, so wenig ist es ihm gelungen, im neuen Kabinett personell ein wirklich wirksames Symbol zu setzen. Das wiederum hat ihm die Kanzlerin abgenommen, die mit der Berufung von Ursula von der Leyen zur ersten weiblichen Verteidigungsministerin einen echten Überraschungscoup gelandet hat. Auf dem Feld der Symbolpolitik stiehlt die Kanzlerin dem künftigen Vizekanzler die Show. Die Sozialdemokraten haben in den vergangenen Jahren zu viele progressive Themen – Frauen- und eben die Integrationspolitik – auch personell vernachlässigt. Das nun nachzuholen, wird schwierig.

Özoguz kann allerdings durch ihre Amtsführung einiges wettmachen. Wenn es ihr gelingt, aus dem Kanzleramt heraus – in Absprache mit ihren SPD-Ministerkollegen – eigene Akzente zu setzen, in der Flüchtlingspolitik, aber auch bei der Frage einer echten doppelten Staatsbürgerschaft für die nächste Legislaturperiode -, dann kann sie eine stärkere Rolle als Maria Böhmer spielen, die sich als Merkels Vertraute fast nie aus der Deckung gewagt hat.

Ob sie die persönlichen Voraussetzungen erfüllt? Jetzt kommt der Satz, der in Kommentaren eigentlich nicht sein darf, aber manchmal sein muss: Das bleibt abzuwarten. Als SPD-Vize war Özoguz jedenfalls zu leise. Auf dem unruhigen Feld der Integrationsdebatten muss man manchmal laut schreien. Das sollte sie sich dann durchaus leisten.

 

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