Kolumne GRENZGÄNGER bei OPINION CLUB (24.06.2015)
Von Martin Benninghoff
Der CDU-Politiker Jens Spahn soll endlich ein Regierungsamt bekommen, das wenigstens entfernt mit seinen Kompetenzen zu tun hat. Das politische System lässt das viel zu selten zu.
Jens Spahn wird also voraussichtlich parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Gratuliere! Das 35-jährige ewige Politik-Talent der CDU kommt endlich auf einem Posten an, der ein bisschen Macht und ein wenig Einfluss bedeutet, auch wenn dieser Job umstritten ist wie nur wenige andere Spitzenjobs in der und um die Bundesregierung herum.
Erstens, weil parlamentarische Staatssekretäre zwar den Minister vertreten, ihm aber nur recht selten im Amt folgen. Und zweitens, weil so ein parlamentarischer Staatssekretär zumindest in den Augen eines Teils der Öffentlichkeit eher als ruhiger Versorgungsposten gilt, nicht aber als zentral im Machtgefüge. Für einen jungen Politiker muss das nicht unbedingt ein Sprungbrett sein.
Trotzdem kann man ihm gratulieren, denn endlich ist Spahn auf einem Posten gelandet, der zumindest ansatzweise etwas mit seinen Kompetenzen zu tun hat. Zwar ist er bislang nicht als versierter Haushaltspolitiker aufgefallen, aber immerhin darf man dem gelernten Bankkaufmann eine gewisse Affinität zu Zahlen und Kassenbüchern attestieren. Im Falle Spahns ist das viel wert, weil sich der umtriebige Bundestagsabgeordnete mit seinem originären Expertenthema, der Gesundheitspolitik, bislang kein Amt außerhalb seiner Partei CDU hatte sichern können. Schade eigentlich.
Nach der letzten Bundestagswahl zog stattdessen Hermann Gröhe ins Bundesgesundheitsministerium ein – ein Mann mit damals eher überschaubarer Kenntnis der Materie. Dennoch sollte der Strippenzieher und Merkel-Vertraute nach einem erfolgreichen Wahlkampf unbedingt mit einem Ministeramt belohnt werden. Diese Art der Loyalitätsbindung mag ja machtpolitisch im Sinne Merkels vernünftig sein, fürs Land und die politischen Ergebnisse aber ist sie eher schädlich. Gröhe macht ja auch bislang einen eher blassen Eindruck im Amt.
Den Abschnitt Gesundheit im Koalitionsvertrag hatten zu dem Zeitpunkt seines Amtsantritts ohnehin zwei profunde Kenner ihres Gebietes bereits ausgehandelt: für die SPD Karl Lauterbach und für die Union Jens Spahn, von denen zur Belohnung für die getane Arbeit keiner den Posten bekam (Lauterbach als SPD-Politiker ohnehin nicht). Im politischen Posten-Karussell sind Leistung und Kompetenz leider zu selten die ausschlaggebenden Kriterien. Gröhe führt das jetzt aus, was die anderen beiden verhandelt haben.
Der junge Jens Spahn zog für sich die persönlichen Konsequenzen seiner Nichtbeachtung: Zunächst positionierte er sich mittels brachialer Machtpolitik (Kampfkandidatur für den Einzug ins CDU-Präsidium, ausgerechnet gegen Gröhe). Dann verbreiterte er sein Themenspektrum, gab fortan zu möglichst allem seinen Senf ab – vor allem zu den Themen Islam, Pegida und Homo-Ehe. Das war insofern eher schwierig, weil hier ein ausgewiesener Fachpolitiker auf fremdem Terrain dilettierte („Burka geht gar nicht“).
Es muss wahrlich nicht sein, dass sich ein Politiker nur zu seinem originären Thema äußert. Ein Politiker muss auch Generalist sein, „Fachidioten“ würden im politischen Geschäft ohnehin untergehen. Aber durch die klare Kompetenzfeindlichkeit bei der Postenauswahl werden Politiker dazu gezwungen, zu jedem Thema irgendeinen Mist in die Kameras zu posaunen. Das intellektuelle Niveau der Diskurse sinkt dadurch ohne Not – und wertvolle Sachkenntnis verkümmert weitgehend ungenutzt.
Klar, ein Gesundheitsminister muss kein Arzt sein. Eine Verteidigungsministerin muss keine Soldatin gewesen sein – solche Forderungen sind weltfremd. Und es ist sogar ratsam, einen Landwirtschaftsminister zum Beispiel nicht zwangsläufig aus der Bauernlobby zu rekrutieren. Joschka Fischer war vor seiner Karriere als Außenminister nicht durch außenpolitische Expertise aufgefallen. Hans-Dietrich Genscher war vor seiner Zeit als hochgelobter Außenamtschef ausschließlicher Innenpolitiker. Die beiden haben sich jedoch durch starkes Interesse und ihren Ehrgeiz eingearbeitet – sie haben sich ihrem neuen Thema mit viel Sympathie genähert und wahrscheinlich das Beste daraus gemacht.
Negativbeispiele gibt es jedoch auch zur Genüge: allen voran der ehemalige Entwicklungsminister Dirk Niebel, der durch platte Sprüche und krude Selbstinszenierungen im Amt auffiel, aber nicht durch sein Gespür oder gar Begeisterung für die Verästelungen seines eigentlich komplexen und idealistischen Themas. Eine reine Machtverteilungs- und Koalitionsentscheidung ohne Rücksicht auf die zu erledigende Aufgabe.
Insofern ist es ein gutes Zeichen, dass Spahn wenigstens im Finanzministerium ankommen soll. Schade nur, dass ihm das mit seinem Leib- und Magenthema Gesundheit nicht gelingen konnte – es war wohl nicht seine Schuld, sondern vor allem im System begründet.
Martin Benninghoff ist Journalist in Berlin und Redakteur bei „Günther Jauch“. Seine OC-Kolumne “Grenzgänger” erscheint jeden zweiten Mittwoch.