Erschienen bei FAZ.NET (06.08.2016)
Von Martin Benninghoff
Justizminister Heiko Maas wünscht sich mehr Politisierung statt Polarisierung. Dabei sind beides zwei Seiten derselben Medaille. Warum wir eher mehr als weniger Streitlust brauchen, zeigt in diesen Tagen die Debatte um Ditib.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat im „Spiegel“ einen Satz gesagt, der das Dilemma in der deutschen Debatte um Einwanderung, Islam und Flüchtlinge offenlegt: „Wir brauchen mehr Politisierung, aber weniger Polarisierung.“
Das klingt erst einmal gut, nach Unterscheidung zwischen ernstzunehmendem Debattenbeitrag und purem Hasskommentar etwa. Allerdings: In der Realität ist eine Politisierung kaum denkbar, die nicht auch zugleich polarisiert.
Ein Beispiel ist der politisierte Islam. Muslime, die in Deutschland ihren Glauben gleichberechtigt neben Christen leben, die ihre Kinder in einen bekenntnisorientierten Islamunterricht an öffentlichen Schulen schicken wollen und zudem daran arbeiten, dem Islam in Form von Verbänden mittelfristig den Status von Körperschaften öffentlichen Rechts zu verschaffen, um ihn Kirchen ähnlicher zu machen, bleibt gar nichts anderes üblich, als „ihren Islam“ zu politisieren.
Muslime Verbandsvertreter müssen in die politische öffentliche Debatte gehen und sich mit denjenigen streiten, die dem Islam diesen Platz am liebsten verwehren wollen. Den Gaulands, Petrys oder von Storchs. Ihre Vertreter müssen sich in TV-Talkshows setzen, um Einfluss auf die öffentliche Debatte zu nehmen, und ihre Vertreter setzen sich mit dem zuständigen Minister an den Tisch der Islamkonferenz, um über politische Änderungen in ihrem Sinne zu verhandeln.
Polarisierung als Aggregatzustand
Ob das allen gefällt? Natürlich nicht! Die Polarisierung ist im Thema eingepreist, erst recht bei der Emotionalität, mit der die Debatte geführt wird. Ohne Polarisierung geht es nicht, weil sich sonst nichts bewegt. Polarisierung ist der natürliche Aggregatzustand der politischen Debatte. Sie wird in Fernsehstudios genauso wie in den Online-Foren der Zeitungen geführt. Auch daran ist nichts Schlechtes.
Das sehen wir derzeit auch an Ditib: Der deutsche Ableger der türkischen Religionsbehörde geriert sich nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei mehr oder minder als Interessenvertretung Erdogans in Deutschland. Dass eine solche Organisation nicht automatisch zur inländisch-deutschen Islamvertretung mit weitgehenden kirchenähnlichen Rechten werden kann, liegt auf der Hand. Sollte sich Ditib nicht ernsthaft von Ankara entfernen, dürfte es das gewesen sein mit weitergehenden Rechten. Streit dient hier der Standortklärung.
Dabei muss klar sein: Jede Polarisierung, jede Standortklärung hat ihre Grenzen. Wenn es nicht mehr um politische Unterschiede geht, sondern ausschließlich um persönliche Herabwürdigungen des politischen Gegners, dann ist es richtig, die Gräben nicht noch tiefer zu graben, sich aus den Gräben der Fäkalsprache herauszuhalten.