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Kim kümmert sich um die Schönheit

Artikel erschienen bei FAZ.NET (30.10.2017)

Von Martin Benninghoff

Soll einer sagen, Kim Jong-un sei an Attraktivität nicht interessiert! Der nordkoreanische Machthaber besucht eine Kosmetikfabrik – und zeigt, was Vor-Ort-Anleitungen für die Machtrepräsentation in der Diktatur bedeuten.

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hat offenbar genügend Zeit, um sich zwischen all den Rüstungsfragen, möglichen Atomschlägen und Scharmützeln mit Amerikas Präsident Donald Trump noch um die wirklich wichtigen Dinge zu kümmern: um die Schönheit seiner Landsleute, vor allem die der Frauen.

Wie die staatliche koreanische Nachrichtenagentur KCNA am Sonntag mit einer Reihe eindrucksvoller Bildern bestätigte, hat Kim mit seiner Frau und seiner jüngeren Schwester einen Betrieb für Kosmetika in der Hauptstadt Pjöngjang besucht. Dabei lobte er das „Weltklasseniveau“ der nordkoreanischen Schönheitsmittel. Die Produkte der Fabrik in Pjöngjang verwirklichten den Traum aller Frauen, „die schöner sein wollen“, zitierten ihn die offiziellen Staatspropagandisten. Und: „Die Vielfalt der Kosmetikprodukte ist riesig und qualitativ gut. Die Verpackungsboxen sehen toll aus.“

Solche Vor-Ort-Anleitungen („field guidances“) sind typisch für die nordkoreanische Machtrepräsentation – und waren schon bei Kim Jong-uns Vater und Vorgänger Kim Jong-il eingeübte Tradition. Dabei besuchen die Staatsführer Fabriken, Kindergärten, Schulen oder landwirtschaftliche Betriebe, im Hintergrund steht meist eine Entourage, die eifrig die mehr oder minder sinnvollen Anweisungen des Patriarchen mitschreibt. Kim Jong-il besuchte beispielsweise einmal eine Trockenfischproduktion – und gab die Anweisung, den Trockenfisch noch trockener zu lagern.

Omnipräsenter Alles-Wisser

Das ist für westliche Beobachter natürlich furchtbar lustig, aber es steckt mehr dahinter; eine Art ikonografische Darstellung der Vater-Sohn-Beziehung zwischen Kim und seinem Volk. Zunächst geht es darum, den Staatsführer als einen omnipräsenten Alles-Wisser zu präsentieren, der vor Detailfragen nicht zurückschreckt und sich um jede Kleinigkeit persönlich kümmert. Zum Zweiten werden jeweils Bezüge hergestellt, die die Kontinuität im Machtapparat verdeutlichen: In der Pressemitteilung der koreanischen Nachrichtenagentur finden sich gleich fünf Verweise auf den verstorbenen Vater Kim Jong-il, der die Kosmetikproduktion bereits 2003 besucht habe. Das soll zeigen, dass Kim Jong-un in der Tradition seines Vaters steht, diese aber ausbaut und verbessert – deshalb der Hinweis auf die erneuerte Produktion in der Fabrik.

Und als wäre das noch nicht genug, tauchten in der Kosmetikfabrik zwei weitere wichtige Personen auf: Kim Jong-uns Schwester Kim Yo-jong und seine Ehefrau Ri Sol-ju, eine frühere Sängerin. Beide gelten als die einflussreichsten Frauen im Machtgefüge der stalinistischen Erbmonarchie. Schon seit Kims Amtsantritt 2011 begleiten sie ihn bei öffentlichen Terminen, allerdings in letzter Zeit häufiger. Seine Schwester ist seit kurzem als stellvertretendes Mitglied ins Politbüro der Arbeiterpartei aufgestiegen, was in dem männerdominierten Land bemerkenswert ist. Die Frauen und Schwestern von Kims Großvater Kim Il-sung und seines Vaters tauchten in der Öffentlichkeit hingegen kaum auf. Für Ri Sol-ju war der Auftritt der erste in diesem Jahr, angeblich weil sie das dritte Kind von Kim entbunden haben soll.

Inwieweit die nordkoreanischen Kosmetika tatsächlich „Weltklasseniveau“ haben, lässt sich schwer beurteilen, qualitative Höhenflüge sind aber wenig wahrscheinlich. Für die Vor-Ort-Anleitungen werden ausnahmslos Vorzeige-Fabriken ausgewählt, deren Produkte eher nur für den heimischen Markt bestimmt sind – die Konkurrenz ist überschaubar und stammt meist aus China. Bei einem Fabrikbesuch des Autoren in Nordkorea hieß es einmal ebenfalls, die hergestellten Süßigkeiten seien auf „Welt-Niveau“, entpuppten sich dann allerdings als geschmacklose Zucker- und Blockmalzklumpen.

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