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Der türkischstämmige Unternehmer Yüksel Sirmasac entwickelt Software für intelligente Energiesteuerung
Von Martin Benninghoff
Juni 2010. Yüksel Sirmasac sitzt in einem angemieteten Büro in Köln. Auf dem Tisch liegen sein Laptop und das Smartphone, in der Ecke des ansonsten kargen Raumes steht ein noch unbeschriebenes Flipchart. Die Wochen zuvor waren nervenaufreibend und anstrengend. Sirmasac musste einen Business-Angel überzeugen, Startkapital zur Verfügung zu stellen. Immer wieder gab es etwas am Business-Plan zu feilen, bis aus der Gründungsidee, einer Kopfgeburt, ein tragfähiges Geschäftskonzept entstanden war. „Kaum zu glauben, dass diese Phase erst knapp anderthalb Jahre her ist“, sagt Sirmasac. „Mir kommt das wie eine Ewigkeit vor.
Im Oktober 2011 hat die Kopfgeburt erstaunliche Gestalt angenommen. Neue Räume sind bezogen, aus dem Ein-Mann-Betrieb ist ein Start-Up-Unternehmen mit 20 Mitarbeitern geworden. Rockethome GmbH – so der Name der Firma des 39-Jährigen. Das Technologieunternehmen entwickelt heute Software, die es Menschen ermöglichen soll, Energieverbräuche in ihren Haushalten „intelligent zu steuern“, sagt Sirmasac. „Smart Home“ ist das Schlagwort in der Branche. Dabei ermittelt die Software den aktuellen Verbrauch von Strom, Wasser und Gas, so dass sich in der Folge Haushaltsgeräte und Räume energieeffizient steuern lassen. Die Endkunden können mittels der einfach und alltagstauglich aufbereiteten Software erkennen, wo sie Energie sparen können. Dadurch sollen sie einen gewissen sportlichen Ehrgeiz zum Geldsparen und Umweltschonen entwickeln.
Eine Nische im derzeit aufkommenden Markt der intelligenten Energiesteuerung. „Ich habe an dieser Idee ein paar Monate gefeilt“, sagt Sirmasac, der zuvor in teils leitender Funktion bei einigen Medienunternehmen tätig war, unter anderem bei RTL in Köln. „Schon als BWL-Student habe ich mein Studium mit IT-Consulting verdient“, erzählt der Vater zweier kleiner Töchter. Während seiner ersten zehn Berufsjahre habe er eine Menge Kontakte knüpfen können, die ihm nun zugute kämen. Sein Start-Up steckt derzeit in der zweiten Finanzierungsphase mit mittlerweile 15 Kunden, vor allem mittlere und große Energieversorger. Die erste Umsatzmillion peilt er für das kommende Jahr an.
Das karge Büro war einmal: Jetzt kleben Flipchartblätter mit allerlei Pfeildiagrammen an der Wand. Sirmasac mag Checklisten und einfache Visualisierungen komplexer Zusammenhänge. Nichts will er dem Zufall überlassen. Wenigstens dieses Mal nicht. Denn sein Berufserfolg wurzelt im glücklichen Zufall: Als Dreijähriger kommt der kleine türkische Junge nach Deutschland. Zwar besucht er ein Jahr später einen Kindergarten, in dem Deutsch gesprochen wird, eingeschult wird er jedoch in einer türkischen Grundschule. Das war in den 70er-Jahren durchaus üblich, weil die Politik davon ausging, dass die „Gastarbeiter“ und ihre Familien nach getaner Arbeit das Land wieder verlassen würden. Unterrichtssprache war Türkisch, und zum Beginn einer jeden Woche hatten die Kinder die Hymne, die türkische wohlgemerkt, zu singen. Gerade einmal zwei Deutschstunden wöchentlich waren vorgesehen. Zu wenig, um mit den Muttersprachlern mithalten zu können. Am Ende der Grundschulzeit landeten viele Kinder auf der Hauptschule.
Als die Segregation im Schulsystem aufgegeben wird, kommt Sirmasac gerade in die dritte Klasse. Ein glücklicher Zufall, denn nun wechselt er auf eine deutschsprachige Grundschule. Sein Problem: Noch immer kann er dem Unterricht kaum folgen, weil sein deutscher Wortschatz nicht ausreicht. Er muss die dritte Klasse wiederholen. Im Nachhinein betrachtet gerät die Niederlage jedoch erneut zum glücklichen Zufall, denn jetzt lernt er Frau Wittung kennen, seine neue Lehrerin. Sie erkennt das Potenzial des kleinen alevitischen Jungen und sorgt für eine Gesamtschulempfehlung.
Zwar stolpert der Junge zu dieser Zeit noch immer durch die deutsche Sprache. Dafür bekommt er endlich die Chance, seine naturwissenschaftlichen Talente auszuleben, mit ersten Erfolgserlebnissen, die seinem Selbstwertgefühl gut tun. „Ich bin der klassische Fall für die Gesamtschule gewesen: schlechte Startbedingungen und unentdecktes Potenzial“, sagt er heute. Sein Abitur besteht er mit der Note 1,7. Seitdem überlässt Sirmasac nichts mehr dem Zufall.