Die Enttäuschung über das gescheiterte Treffen von Kim Jong-un und Donald Trump ist groß – auch beim Ostasienwissenschaftler Rüdiger Frank. Ein Gespräch über geplatzte Träume und autoritäre Führungsfiguren:
Herr Frank, der Gipfel von Trump und Kim hat kein Ergebnis gebracht. Oder ist das Scheitern das Ergebnis?
Ich habe ja immer argumentiert, dass das ein langwieriger Prozess ist und dass der Erfolg zunächst darin besteht, wenn nichts schiefgeht. Und ist dieses Mal etwas schiefgegangen oder nicht? Man könnte argumentieren, ja, der Gipfel ist gescheitert, weil all die Wünsche – zum Beispiel ein Friedensabkommen – nicht erreicht wurden. Das wäre ein Misserfolg. Wenn Kim und Trump aber im Guten auseinandergegangen sind und sich nur heute nicht einigen können, dann wäre das zumindest kein Scheitern.
Aber es ist auch kein Erfolg.
Ja, es kein Erfolg. So wie es aussieht, haben beide hoch gepokert. Eine oder zwei Seiten waren nicht bereit, den Preis zu zahlen, um den Koreakrieg zu beenden. Kein Deal, finde ich, ist vielleicht besser als ein schlechter Deal.
Seit Monaten verhandeln die Unterhändler. Da hätte man erwarten können, dass die Gipfelergebnisse bereits ausgehandelt sind. Was ist passiert?
Da ist das Problem, dass sich zwei autoritäre Führungskräfte gegenübersitzen – das ist auch der spezielle Trump-Faktor. Bei allen anderen wäre es wahrscheinlich so gewesen, dass ein zu unterzeichnendes Dokument schon verhandelt worden wäre. Aber in diesem Fall hat man wohl nur die Rahmenbedingungen ausgehandelt, und die beiden Chefs wollten alles Weitere regeln. Die mangelhafte Vorbereitung ist dem autoritären Führungsstil beider geschuldet.
Lesen Sie hier das Interview bei der F.A.Z.
Trump hatte in letzter Zeit seine Erwartungen an eine atomare Abrüstung Nordkoreas heruntergeschraubt. Angeblich soll Kim wiederum mit einer Maximalforderung nach der Aufhebung von Sanktionen in die Verhandlung gegangen sein.
Beide haben offenbar mehr vom anderen verlangt, als der zu geben bereit war. Wir wissen aber noch nicht genau, von welchen Sanktionen die Rede war, und auch nicht, von welchen Forderungen bezüglich der Denuklearisierung gesprochen wurde. Wir können davon ausgehen, dass die Forderungen der Amerikaner hoch gewesen sind. Wenn zum Beispiel gefordert wurde, dass die Nordkoreaner eine Liste mit ihren Atomwissenschaftlern präsentieren sollen, könnte darin der Grund fürs Scheitern liegen. Kim wollte offenbar den Atomreaktor in Yongbyon demontieren, aber das war Trump zu wenig.
Trump hat von einem „gap“ gesprochen, von einem Spalt in den Verhandlungspositionen. Wie soll der je überbrückt werden? Wie kann es weitergehen?
Beide haben sich letztlich verpokert. Wenn sie im Guten auseinandergegangen sind, dann müssen sie jetzt die Scherben aufsammeln und weitermachen. Interessant wird sein, wie die beiden den gescheiterten Gipfel zuhause verkaufen: Trump wird sicherlich sagen, lieber kein Deal als ein schlechter. Und Kim kann sagen, ja, ich habe den Amerikaner wieder heimgeschickt, weil er sich meinen Forderungen nicht gebeugt hat, ich habe Härte gezeigt. Nur, beide dürfen das nicht übertreiben, da das Verhältnis in diesem Fall so wichtig zu sein scheint. Wenn Trump sich im Nachhinein von Kim beleidigt fühlt, dann kann es sein, dass der Prozess zum Stehen kommt.
Schwierig ist allerdings auch die Situation für den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in, der viel Hoffnung auf den Dialog gesetzt hat.
Ja, für Südkorea ist das ein großes Problem, die Aktien großer Unternehmen in Südkorea sind auch schon gefallen. Ich kann mir aber vorstellen, dass sie eine produktive Rolle einnehmen, um wieder stärker als Vermittler einzugreifen. Und China dürfen wir da auch nicht vergessen.
Bis Mittwoch konnten Sie sich noch vorstellen, dass Kim, Trump und Moon den Friedensnobelpreis bekommen könnten. Und heute?
Ja, aber erst, wenn es Ergebnisse gibt. Das Thema Nobelpreis ist erst einmal ad acta gelegt.