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Und ewig grüßt ein Kim

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Der nordkoreanische Despot Kim Jong-Il ist tot. Überraschend schnell ist sein Sohn Kim Jong-Un zum Nachfolger benannt worden. (Kölner Stadt-Anzeiger, 19.12.2011). Übrigens sehr zu empfehlen ist die Seite „Kim Jong-Il is looking at things“!

Ein Anstoß von Martin Benninghoff

Kim Jong-Il, der Mann, der stets Angst vorm Fliegen hatte, ist am Samstag ausgerechnet in einem Zug einem Herzanfall erlegen. Zwar kommt das Ende des schwerkranken Diktators nicht völlig überraschend, allerdings hatte sich der 69-Jährige „geliebte Führer“ nach seinem schweren Schlaganfall vor drei Jahren sichtbar wieder erholt. Bei seiner letzten Russland- und Chinareise in diesem Sommer – wie immer mit dem Zug – ärgerte er noch Peking, weil er sich mit jedem sibirischen Provinzfürsten ablichten ließ, nur kaum über seine Treffen mit chinesischen Würdenträgern berichten ließ.

Das Kapitel des kleinen, im Westen und auch in China häufig  verspotteten Exzentrikers mit der großen Sonnenbrille ist damit vorüber. Nicht aber das Kapitel der Kims, denn sein jüngster Sohn, Kim Jong-Un, wurde nach dem Tod des Vaters am Wochenende zügig zum Nachfolger bestimmt. Das ist bemerkenswert, weil das Regime 1994, als der Großvater Kim Il-Sung überraschend verstorben war, noch eine lange Staatstrauer abwartete, bis Kim Jong-Il offiziell in der Öffentlichkeit auf den Chefposten befördert wurde.

Dass es jetzt schnell gehen muss, liegt an drei Gründen: Erstens war Kim Jong-Il zwar stets gefürchtet, niemals jedoch beliebt im Land – auch wenn die staatlich gelenkten Medien nun das Gegenteil behaupten. Zweitens fürchtet sich das Regime vor einem Machtvakuum und politischer Instabilität. Die Wirtschaftsreformen ab 2002 haben zu einer kleinen Mittelschicht beigetragen, die das Regime nicht mehr so leicht kontrollieren kann wie früher. Der Nordkoreaforscher Rüdiger Frank berichtet von rivalisierenden Gruppen innerhalb des Kim-Clans und des Militärs. Und Kim Jong-Il war zuletzt bemüht, die Wirtschaftsreformen wieder einzukassieren. Drittens ist der Nachfolger Kim Jong-Un schlicht und einfach noch nicht so weit: Der Endzwanziger ist unerfahren und hätte eigentlich im kommenden Jahr beim gigantischen Propaganda-Feldzug zu Ehren des vor 100 Jahren geborenen Kim Il-Sung etwas Glanz vom übermächtigen und vergötterten Großvater abbekommen sollen. Hätte und sollen: Das „worst case“-Szenario für den neuen Führer ist nun eingetreten.

Über Kim Jong-Uns Leben ist wenig bekannt: Seine Mutter, so viel weiß man, ist die japanischstämmige Tänzerin Ko Jong Hi, die 2004 an Brustkrebs gestorben sein soll. Kim Jong-Ils ehemaliger Leibkoch Kenji Fujimoto beschreibt den Sohn als „Abbild seines Vaters, vom Gesicht über die Statur bis zu seiner Persönlichkeit.“ Erst vor wenigen Monaten hat Kim Jong-Un eine Blitzkarriere beim Militär hingelegt und wurde zum General ernannt. In den Zeitungen sah man ihn zuletzt meist an der Seite seines Vaters. Der Tod Kim Jong-Ils kommt zu früh für den Sohn, der mit seinem Doppelkinn und dem dicken Bauch zu den wenigen beleibten Menschen des Landes gehört.

Kim Jong-Uns neue Macht steht nun auf wackligen Füßen in den kommenden Monaten – und damit auch die Stabilität des Regimes. Deshalb wird er nun alles dem Ziel unterordnen, seine eigene Machtbasis zu konsolidieren. Erstens wird er versuchen, die Eliten Nordkoreas – das Militär und die Funktionäre der Kommunistischen Partei – bei der Stange zu halten. Das wird nur gelingen, wenn er ihnen weiterhin Einfluss und einen westlichen Lebensstandard mit Devisen ermöglicht. Zweitens wird er sich mit Provokationen dem Ausland gegenüber zurückhalten, die ihn teuer zu stehen kommen könnten, es sei denn, sie dienen dem Machterhalt. Vorstellbar ist, dass er – wie sein Vater – auch künftig die Atomkarte ziehen wird, um Nahrungslieferungen und Devisenzahlungen der Amerikaner zu erpressen. Drittens wird er auf die Hilfe Chinas bauen, das kein Interesse an einer Wiedervereinigung unter kapitalistischen Vorzeichen hat. In diesem Fall hätte Peking nämlich die Amerikaner, die in Südkorea stationiert sind, an der eigenen Grenze stehen. Ein Horror für Chinas Regierung.

Soviel ist jedenfalls sicher: Seoul, Tokio und Peking werden in den nächsten Monaten ihre Seismographen der politischen Spannungen sekündlich überwachen. Sollte es Kim Jong-Un nicht gelingen, die eigene Machtbasis zu sichern, könnte das nordkoreanische Regime zerbrechen, mit unabsehbaren Folgen für die Region: Denn Pjöngjang verfügt über Atomwaffentechnik, zudem müsste die internationale Gemeinschaft mit knapp 24 Millionen Nordkoreanern umgehen, von denen ein großer Teil völlig verarmt ist und nichts von der Welt weiß. Für alle anderen überwiegt fürs erste die Freude, dass einer der schlimmsten Despoten der Welt abgetreten ist – nach Gaddafi eine weitere gute Nachricht zum Jahresende. Hoffentlich entpuppt sich der neue Führer Kim Jong-Un wenigstens nicht als ein noch grausamerer Diktator.

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